Working Capital
Wie Sie die Vorteile der Digitalisierung im Working Capital Management auch in Krisenzeiten nutzen
Ein effektives Working Capital Management gewinnt in Zeiten der Corona-bedingten Rezession mehr und mehr an Bedeutung, da Unternehmen stärker als lange zuvor auf ausreichend liquide Mittel angewiesen sind. Dabei nehmen viele Unternehmen die klassischen drei Stellhebel des Working Capital Managements in den Fokus: Forderungen gegenüber Kunden, Lieferantenverbindlichkeiten sowie Vorräte.
Durch die fortschreitende Digitalisierung bieten sich heute zunehmend neue Möglichkeiten für ein effektiveres und effizienteres Working Capital Management. Von diesen schnellen und nachhaltigen Lösungen profitieren Unternehmen jeglicher Größe sowohl kurzfristig in Krisenzeiten wie auch mit einem langfristigen Horizont. Dabei können unter anderem systemgestützte Planungs- und Forecastverfahren den Bedarf an gebundenem Kapital schrumpfen lassen sowie viele Prozessschritte in Order-to-Cash- sowie Procure-to-Pay-Prozessen durch Digitalisierung und Automatisierung entscheidend verkürzt werden.
Unternehmen, die ihr Working Capital Management konsequent digitalisiert haben, konnten dabei drei wesentliche Erkenntnisse gewinnen:
1. Die Digitalisierung sorgt für neue Möglichkeiten im Working Capital Management
2. Digitale Technologien helfen dabei, interne Zielkonflikte und Silos im Working Capital Management abzubauen
3. Digitale Technologien ermöglichen eine ganzheitliche Optimierung des Working Capital der gesamten Wertschöpfungskette
Im Folgenden werden diese drei Aspekte des digitalen Working Capital Management anhand einiger Beispiele erläutert.
1. Die Digitalisierung sorgt für neue Möglichkeiten im Working Capital Management
Die Working Capital Methoden vieler Unternehmen sind nicht mehr zeitgemäß ausgestaltet. Beispielsweise binden manuelle Rechnungsstellungs- und Reklamationsbearbeitungsprozesse Kapital in Forderungen, nicht standardisiertes Vertragsmanagement verhindert die optimierte Ausnutzung von Zahlungszielen und die Lager- und Produktionsplanung wird noch zu selten auf dynamischen Forecasts vorgenommen. Dabei lassen sich mit geringem Aufwand zeitgemäße Technologien in den Working Capital-relevanten Prozessen einsetzen.
Digitales Reklamationsmanagement:
So gewissenhaft in Ihrem Unternehmen auch gearbeitet wird, so kann es doch zu Fehlern kommen, die Reklamationen nach sich ziehen. Die Bearbeitung dieser Reklamationen kann aufwändig und hochgradig manuell stattfinden, oder sie kann effizient und technologiegestützt durchgeführt werden und somit neben zufriedeneren Kunden auch den Grundstein für interne KVP-Prozesse bilden.
Es gibt bereits diverse Lösungen, die Reklamationsmanagement digitalisieren und durch die Anwendung von künstlicher Intelligenz einen Großteil der Kundenbeschwerden zum Beispiel per Chatbot abwickeln. Ein Chatbot kann dabei die erste Anlaufstelle für einen Kunden sein. Der Chatbot generiert Lösungsvorschläge auf Basis der vom Kunden eingegeben Informationen. Somit kann die Anzahl an zeit- und kostenintensiven Interaktionen mit dem Kunden reduziert werden und sich die Organisation auf die notwendigen und wichtigen Fälle konzentrieren. Eine Vielzahl an Kundenreklamationen lassen sich hierdurch standardisiert und automatisiert lösen. Dies schont insbesondere in Krisenzeiten die Liquidität bei gleichbleibender oder verbesserter Kundenzufriedenheit.
Insbesondere durch die Kombination mit RPA-Lösungen und beispielsweise SAP S/4 HANA lassen sich somit signifikante Effizienzvorteile erzielen. Selbst wenn Sie noch nicht bis zum Chatbot gehen wollen, bieten gute Ticketing- oder Incident-Management-Systeme zwei große Vorteile: Einerseits können klare Workflows zur Bearbeitung hinterlegt werden, was deren Durchlaufzeit und somit das in der offenen Forderung gebundene Kapital reduziert. Andererseits können Beschwerden geclustert und ausgewertet werden, wodurch strukturiert an der Beseitigung der Gründe gearbeitet werden kann. Beides bietet insbesondere in Zeiten von Kurzarbeit und reduzierten Teamgrößen das Handwerkszeug, um Servicelevel gegenüber Kunden zu halten und somit deren Zufriedenheit sicherzustellen.
Process Mining:
Eine „Meta-Technologie“ stellt Process Mining dar, da es in allen Bereichen des Working Capital Managements eingesetzt werden kann. Ineffizienzen und unnötige Prozessvarianten können im O2C-, P2P- und den Materialprozessen identifiziert und anschließend beseitigt werden. Somit können sowohl die Prozesseffizienz als auch die Prozesseffektivität erhöht werden. Insbesondere große Unternehmen sind oftmals ob der Anzahl der vorhandenen Prozessvarianten erstaunt, die es trotz eines aufwändigen Prozessmanagements gibt. Die Geschäftsprozesse werden hierbei auf Basis der Daten in den internen IT-Systemen rekonstruiert und ausgewertet. Darin zeigt sich ein großer Vorteil von Process Mining: Prozessuale Schwachstellen des Working Capital Managements werden objektviert und schnell sichtbar. Somit lässt sich eine schnelle und umfassende Bereitschaft zur Optimierung der Prozesse herbeiführen. Der Aufwand der notwendigen Datenanalyse hängt dabei weniger von der Größe eines Unternehmens als von der Komplexität und Vielfalt der IT-Systemlandschaft ab. Gerade Unternehmen, die viele unterschiedliche Systeme nutzen, sollten sich daher zunächst auf einzelne bedeutende Prozesse fokussieren und die Analysen danach kontinuierlich ausrollen. So hat ein Kunde gute Erfahrung damit gesammelt, zunächst nur den P2P-Prozess zu analysieren. Damit konnte der initiale Invest niedrig gehalten, der Aufwand bis zur ersten Erkenntnis minimiert und diese auch unmittelbar in der Organisation umgesetzt werden. Somit konnte innerhalb weniger Wochen und unter Beachtung von finanziellen und personellen Einschränkungen der Nutzen von Process Mining bestätigt werden.
2. Digitale Technologien helfen dabei, interne Zielkonflikte und Silos im Working Capital Management abzubauen
Das Working Capital Management wird oftmals exklusiv als Thema des Finance-Bereichs gesehen. Dabei hat ein umfassendes und wirkungsvolles Working Capital Management ausgesprochen viele Stakeholder im ganzen Unternehmen. Während die Finanzabteilung beispielsweise eine weitreichende Reduzierung der Vorräte anstrebt, ist das Interesse der Produktion, reibungslose Abläufe sicherzustellen, die traditionell auf höheren Vorratsbeständen basieren. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten stellen wir jedoch fest, dass solche Konflikte mit Fokus auf eine steigende Profitabilität aufgelöst werden sollen.
Dieser Zielkonflikt lässt sich durch den Einsatz digitaler Tools abbauen, da unter anderem die Transparenz erhöht wird und genauere Prognosen ermöglicht werden.
Beispielsweise konnte ein produzierendes Unternehmen durch ein kontinuierliches und digitalisiertes Bestandsmanagement die Sicherheitsvorräte signifikant reduzieren. Dabei konnten die Transportbestände und deren Laufzeiten durch Analyse der Echtzeitdaten in ihrer Verfügbarkeit so optimiert werden, dass die Lagerbestände bei gleichbleibender Produktionsstabilität niedriger dimensioniert wurden. Des Weiteren konnten Ankunftszeiten dynamisch ermittelt und Alarmsysteme bei kritischen Vorfällen etabliert werden. All dies trug zu einer Senkung des Vorratsbestandes bei und bestätigte somit die Rentabilität der Digitalisierungsvorhaben im Working Capital Management.
3. Digitale Technologien ermöglichen eine ganzheitliche Optimierung des Working Capital der gesamten Wertschöpfungskette
Die Verbesserung des Working Capital eines Unternehmens kann schnell negative Auswirkungen auf Lieferanten oder Kunden nach sich ziehen. Besonders in Krisenzeiten sind Unternehmen oft auf die eigene Optimierung fokussiert, was unnötigerweise Geschäftspartner in Probleme bringen kann. So werden beispielsweise die Zahlungen von Rechnungen über den vereinbarten Zeitpunkt gestreckt oder Leistungen nur noch gegen Vorkasse angeboten.
Durch digitale Lösungen ergeben sich jedoch neue Möglichkeiten, vor allem durch die Schaffung von mehr Transparenz und das Arbeiten in gemeinsamen Systemen. So lassen sich beispielsweise mit Kunden und Lieferanten Portale zum Rechnungsaustausch etablieren, bei Bedarf inklusive Zahlungs- und Netting-Funktionen. So konnte ein Unternehmen durch die Anbindung eines branchenanerkannten Rechnungsportals einerseits die eigene Dauer bis zum Rechnungseingang beim Kunden um durchschnittlich 3 Tage senken, andererseits verkürzte sich beim Kunden die Rechnungseingangsverarbeitung, da Scan- und Zuweisungsprozesse über das ausgelagerte Shared Service Center eingespart werden konnten. Zudem konnte der Kunde über die beidseitig gewonnene Transparenz seine krisenbedingt knappe Liquidität rechnungsgenau steuern.
Weiterhin lassen sich durch die Integration von Logistiksystemen Warenbewegungen über mehrere Stufen der Logistikkette nachverfolgen und somit auf die tatsächlichen Bedürfnisse ausrichten. Zudem haben solche Lösungen die Potenziale weitere Schritte der Prozessketten zu automatisieren, zum Beispiel in der Buchung von Warenflüssen.
In den vergangenen Monaten ist ein aktives Working Capital Management zurecht verstärkt in den Fokus gerückt. Insbesondere in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten mit hoher Volatilität und Unsicherheit konnten Unternehmen mit einem effektiven und effizienten Working Capital Management auf Basis von digitalen Lösungen Wettbewerbsvorteile erzielen.
Für weitere Informationen zu Digitalisierungsmöglichkeiten im Working Capital Management kontaktieren Sie gerne Fabian Winckler (fabian.winckler@www.draxingerlentz.de).